Fritz
Niemand außer seinen Eltern und besonders sein Onkel war offiziell mit Fritz in Kontakt gekommen, bis am 6.9.1969 sein Haus von wütenden Mongos infiltriert und bis dato geheimgehaltene Tagebücher gestohlen wurden. Das FBI verfolgte die Mongos und kam nach einem lang andauernden Schusswechsel an die Dokumente, verlor sie allerdings wieder, als es während der Flucht mit einem Helikopter von haarigen Albanen angegriffen wurde. Christoph Mraz fand die verblüffenderweise unversehrt gebliebenen Bücher auf seiner Terrasse und veröffentlichte sie anschließend versehentlich im Internet.
Ja, was wurde eigentlich aus Fritz? Bis auf die fragwürdige Geschichte aus einer älteren Version dieses Wikis, welche leider nur teilweise der Nachwelt erhalten blieb (siehe oben) und dem Wissen, dass er Namensgeber der im Internet gebräuchlichen Abkürzung wtf (was tun, Fritz?) war, ist nicht viel über ihn bekannt. Ich verbrachte viele schlaflose Nächte damit, mir über das mysteriöse Verschwinden dieser Person den Kopf zu zerbrechen, bis ich mich dazu entschied, der Sache auf den Grund zu gehen. Woher hätte ich wissen sollen, dass mich diese Mission eines Tages beinahe ums Leben bringen würde?
Die Idee
Gleich zu Beginn musste ich feststellen, dass es gar nicht so leicht ist, eine Person zu finden, von der ich ausschließlich den Vornamen kenne. Offensichtlich. Auch Begriffe wie "wütende Mongos" und "haarige Albaner" brachten mich nicht weiter. Ich musste mich also wohl oder übel an Christoph Mraz richten. Von ihm hatte ich allerdings auch nur eine sehr alte E-Mail-Adresse, aber ein Versuch war es wert. Ich schilderte ihm also mein Problem und fragte spaßeshalber, was er denn vom neuen Harry-Potter-Buch hielte. Einige Wochen vergingen und ich spielte ich bereits mit dem Gedanken, die Suche aufzugeben, bis es plötzlich an meiner Tür klopfte...
Der Besuch
Ich öffnete, fand aber nur einen großen Umschlag vor, den jemand vor die Haustür gelegt hatte. Weit kann der mysteriöse Bote nicht gekommen sein, dachte ich. Ich wohnte zusammen mit meiner Frau Ilse in einem relativ großen Einfamilienhaus, welches sie von ihren Eltern geerbt hatte. Wir hatten schon überlegt, es zu verkaufen, aber mein Vater meinte immer, dass der Immobilienmarkt momentan so schlecht sei. Wir würden irgendwann bessere Angebote bekommen. Ich aber glaube, dass er einfach nur in das Haus vernarrt war. Jedenfalls sprach er immer davon, dass er noch nie einen so großen Wintergarten gesehen hatte. Manchmal stritt er sich mit meiner Mutter, wenn die beiden zu Besuch waren und er sie ständig darum bat, noch ein bisschen bei uns zu bleiben. Er verbrachte dann die meiste Zeit im Wintergarten und rauchte Zigarre. Das hängt wohl damit zusammen, dass er damals, im zweiten Weltkrieg, wo er hauptsächlich Waffen reparierte, mal zusammen mit seinem Trupp ein großes Gebäude in Österreich eingenommen hatte. Das gehörte dem Chef einer Zigarrenfirma und mein Vater und seine Kameraden fanden es immer sehr lustig, sich spät abends einen zufälligen Raum in diesem Gebäude auszusuchen und dort bis in die Nacht Zigarren zu rauchen, derer sie sich ja frei bedienen konnten. Was das mit unserem Wintergarten zu tun haben soll, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, aber irgendwo muss ja ein Zusammenhang bestehen.
Unser Haus lag relativ abgelegen und ist nur durch einen engen Asphaltweg mit der Bundesstraße verbunden. Weit und breit war kein Auto oder Ähnliches zu sehen, also musste der Bote durch den Wald gekommen sein, mit dem unser Garten quasi verbunden ist. Ich öffnete aber erst einmal den Umschlag, der bereits geöffnet worden war und nur ein kleines gelbes Notizblättchen enthielt, auf dem "DUCKEN!" geschrieben sta
What the f#%$?
Ich ließ mich reflexartig zu Boden fallen und sah noch, wie der Shuriken knapp über mir vorbeiflog. Hätte ich mich ganz normal geduckt, wäre ich wahrscheinlich trotzdem getroffen worden! Schnell verschaffte ich mir einen Überblick über die Situation: Drei Ninjas versteckten sich im unserem Wohnzimmer, einer hockte auf dem Dach und der Rest verteilte sich auf den Bäumen kurz vor dem Garten. Sofort rollte ich mich zur Seite und bewegte mich vorsichtig außen an der Hauswand vorbei; der Ninja auf dem Dach folgte mir leise und holte zum Sprung aus. Dabei übersah er, wie ich an das Küchenfenster klopfte und wurde direkt vom nächsten Ninja, der aus dem Fenster gehechtet kam, erwischt. Ich nutzte die beiden wie ein Sprungbrett und erreichte das Innere des Hauses mit Leichtigkeit. Nun schnappte ich mir einen Schneebesen und schlich vorsichtig Richtung Kellertür. Sofort wurde mir klar, dass ich im Flur von zwei Ninjas umzingelt sein würde. Endlich konnte ich von meiner Schreckschusspistole Gebrauch machen! Normalerweise bin ich kein Waffenfreak, aber mein guter Freund Achim hatte mich einst mehr oder weniger dazu genötigt, den kleinen Waffenschein zu machen. Der textete mich einen ganzen Abend lang (wir saßen natürlich im Wintergarten) damit zu, dass so eine Schreckschusswaffe ja in so ziemlich allen Situationen überlebenswichtig wäre. Beim Waldspaziergang, beim Gassigehen, zuhause, im Urlaub, selbst im Büro. Das Gespräch war mir im Nachhinein ein bisschen unangenehm, weil ich mir immer wieder vorstellen musste, wie Achim in seinem großen Büroraum mit seinen Kollegen sitzt und ständig alle Ein- und Ausgänge und Fenster beobachtet. Dass er seinen Kollegen sicher des Öfteren auf die Nerven geht mit seiner Paranoia. So richtig unangenehm aber war dann, dass Achim wenige Tage später sein Auto geklaut wurde, einfach so über Nacht. Und er hatte angeblich nichts davon mitbekommen. Daraufhin gab es endlose Querelen mit der Versicherung und am Ende musste er noch relativ viel Geld aus seiner eigenen Tasche dazuzahlen. Das hatte mich dann dazu inspiriert, mich selbst ein bisschen besser auszurüsten, weil man ja nie weiß, ob einem sowas mal selbst passieren würde. So ein Autodiebstahl wie beim Achim würde mir aber ganz sicher nicht passieren, dafür schlafe ich viel zu schlecht.
Die Konfrontation
Bevor ich meine Schreckschusspistole, die ich tatsächlich in meinem Bademantel versteckt hatte, benutzen konnte, vernahm ich ein lautes, dumpfes Geräusch aus dem Flur. Ilse hatte einen der beiden übrigen Ninjas mit einem Regenschirm umgehauen! Kurz darauf ließ sie einen ohrenbetäubenden Kampfschrei heraus und ich hörte nur noch, wie es im Flur polterte und irgendjemand zu Boden fiel. Ja sapperlot, dachte ich, so laut hast du deine Ilse schon lange nicht mehr schreien gehört. Ich war ein bisschen geil, behielt aber die Fassung und blickte vorsichtig aus der Küchentür heraus in den Flur. Ilse! Der andere Ninja konnte sie anscheinend überwältigen. Ohne zu Überlegen rannte ich zu ihrem reglosen Körper und spürte sogleich den Lauf einer Schusswaffe, den jemand fest an meinen Hinterkopf zu drücken begann. "Fünf Minuten und zweiunddreißig Sekunden", ertönte eine finstere Stimme hinter mir, "so lange hat noch keiner überlebt." Kurz darauf folgte ein Fingerschnippen und alle Ninjas schienen sich nun im Garten zu einer Einheit zu formieren. "Eine Frechheit, mich nach dem neuen Harry Potter zu fragen. Ihnen ist bewusst, dass das nicht mal ein richtiger Roman ist? Noch dazu nicht von JK Rowling verfasst?" Die fremde Person sprach sehr schnell und wurde immer lauter, aber vielleicht kam mir das nur so vor, weil ich nunmal ein Fingerzucken vom Tod entfernt war. Ich brauchte einige Zeit, um die Worte des Fremden zu verarbeiten. "Sie sind Christoph Mraz? Was wollen sie von mir?", sprudelte es nach ein paar Sekunden aus mir heraus. "Töricht. Sie hatten mich doch um Hilfe gebeten! Lassen sie es mich kurz machen: Mit Fritz ist nicht zu spaßen. Alle Einzelheiten der Geschichte, die sie gehört haben, sind wahr und haben mir einiges abverlangt", antwortete Mraz geschwind. Währenddessen versuchte ich, mich langsam aufzurichten und sah gerade noch, wie die Ninjas plötzlich zur Angriffsstellung wechselten, bis mir Mraz mit dem Lauf seiner Pistole auf den Hinterkopf schlug. Aua! "A-aber waren sie nicht derjenige, der die Dokumente lediglich vorfand?", fragte Ilse, welche ich bis dahin noch für bewusstlos gehalten hatte. "In der Tat. Aber sie glauben nicht ernsthaft, ich hätte mich nicht gewundert, wo diese herkamen?" Vor meinen Augen sah alles verschwommen aus und ich hatte das beständige Verlangen, auf der Stelle einzuschlafen.
Der Deal
Gefühlt eine Sekunde später lag ich auf unserem Sofa im Wohnzimmer und sah, wie sich Ilse mit einem älteren, relativ großen Herren mit Brille unterhielt, bei dem es sich wohl um Mraz handelte. Die Brille war riesig, ehrlich, ich hatte (und habe bis heute) noch nie eine größere Brille gesehen. Mein leises Kichern erweckte sofort die Aufmerksamkeit der beiden. "Schatz, du bist wach! Wir müssen schleugnist unsere Sachen packen und nach Albanien reisen!" "Nach Albanien? Was?" Ich schaute verdutzt und leicht benommen in die Runde. "Richtig gehört. Sie werden sich für mich auf ein kleines Abenteuer begeben. Ihre Frau weiß Bescheid. Ich werde mich indessen um ihr Haus kümmern." Mraz bot uns tatsächlich an, während unserer Abwesenheit unseren Rasen zu mähen und unsere Gewächse zu gießen. Auch unseren Keller wollte er renovieren. Ich ließ das erstmal über mich ergehen und ging davon aus, dass das alles ein einziger Albtraum gewesen war. Spätestens, als ich auf dem Weg zum Schlafzimmer an einem Krähenfuß hingen blieb, wurde ich eines Besseren belehrt. Das Vernünftigste wäre wohl gewesen, einfach die Polizei zu rufen, aber trotz der mehrfachen Mordversuche, dem unerlaubten Eindringen in unser Haus und einem zerbrochenen Regenschirm hatte ich nicht das Gefühl, dass Mraz uns etwas Böses wollte. Er schien das "Fritz-Problem" sehr ernst zu nehmen und hatte uns beide im Prinzip unversehrt gelassen. Außerdem wollte ich schon immer mal Urlaub in Osteuropa machen, hatte mich nach unserem kleinen Überlebenskampf gerade neu in meine Ehefrau verliebt und auf die Gartenarbeit hatte ich ohnehin keine Lust.
Erste Station - Albanien!
Mraz schickte uns direkt in die Hauptstadt Tirana. Wie er es schaffte, ein komplettes Flugzeug für uns beide und seinen GESAMTEN Ninja-Trupp zu reservieren, ist mir bis heute ein Rätsel. Während des Fluges sprach uns einer von ihnen an und stellte sich als das Oberhaupt des Teams vor, woraufhin eine kleine Schlägerei folgte. Nun stand ein anderer Ninja vor uns, der gut an seiner Narbe zu erkennen war, welche sich quer durch sein Gesicht zog (und an seinem Namensschild, auf dem allerdings nur ein lachender Smiley aufgetragen war - ""). Er erklärte, dass Mraz seine Ninjatruppe von klein auf selbst trainiert hatte, als er selbst gerade dabei war, sich mit japanischen Kampfkünsten vertraut zu machen. Zunächst adoptierte er eine kleine Gruppe von Waisen, denen er nur das Wichtigste beibringen wollte - das Kämpfen! Irgendwann kamen immer mehr Kinder hinzu und Mraz's Zöglinge waren so dankbar für seine großzügigen Gaben, dass sie fortan bei ihm bleiben und ihn beschützen wollten. "Klingt eher so, als hätte Mraz sie zu seinen persönlichen Ninjasklaven gemacht", fügte Ilse kühl hinzu. "Sklaven? Sie haben sie doch nicht mehr alle!" Wütend zog das Ninja-Oberhaupt davon.
Viel Zeit für die Suche nach Souveniren blieb uns nicht, da wir vom Flughafen aus sofort in eine sehr lange Limousine verfrachtet wurden. Wir saßen ganz am Ende auf einer großen Couch und vor uns reihten sich ca. 100 Ninjas auf. Uns wurden Getränke angeboten, die (griechische?) Musik war ganz angenehm und auch die Sicht aus den Fenstern war schön, aber eine Sache vermieste mir die ganze Fahrt - einer der Ninjas, ziemlich genau mein Nachbar, hatte die ganze Zeit über schlimme Blähungen. Ich traute mich nicht so recht, einfach aufzustehen und fragte daher einen der anderen Ninjas, ob es möglich wäre, dass wir uns woanders hinsetzen. Anscheinend hatte Mraz aber damals die Deutschstunden ausfallen lassen, denn sprechen wollte mit uns keiner. Das Oberhaupt war auch nirgends zu sehen. Vorsichtig richtete ich mich auf und tat so, als würde ich mich nach irgendetwas umsehen. Ich durchstreifte die gesamte Limo und es war tatsächlich jeder Platz besetzt. Nun probierte ich, mich zwischen zwei Ninjas zu zwängen und wurde direkt zurückgewiesen. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Kurz darauf kam mir der geniale Einfall, eines der Gläser umzustoßen und zu hoffen, jemand würde sich aufrichten und mir dadurch einen freien Platz gewähren. Ich versuchte, besonders hart zuzuschlagen, damit es auch ein paar Scherben gab, die dann jemand anderes auffegen würde, wodurch auch Ilse sich umsetzen könnte. Wie idiotisch diese Idee war, wollte Ilse mir schon von ganz hinten durch verschiedenste Handbewegungen und leise Zurufe mitteilen, welche ich allerdings als Anfeuern interpretierte. Ich nickte daher genervt in ihre Richtung. Ja, ist klar, du blöde Sau, ich weiß, wie man ein Glas vom Tisch stößt! Wenig später saß ich mit einer großen Beule am Kopf an meinem alten Platz und kniff mir für den Rest der Fahrt die Nase zu.
Lunxhëria
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir ein relativ kleines Gebäude, das einer Skihütte ähnelte. In der Ferne konnte man ein Dorf erkennen, gegenüber lag ein riesiger Gebirgszug, auf den sich der Ninjatrupp zubewegte. Ich musste eigentlich dringend auf die Toilette und hätte auch eigentlich meine große Beule behandeln müssen (wir sind hier nicht im Cartoon xDDD), aber in der Hütte stand lediglich ein großer Tisch und darauf einige Spielkarten. Anscheinend hatte hier irgendwer irgendwann mal Solitär gespielt. Oder war es Bridge? Ich machte mir darüber keine weiteren Gedanken, verrichtete mein Geschäft hinter der Hütte und holte Ilse und die Ninjas bald ein.
Ich war selber noch nie Bergsteigen, weil ich mir das immer unheimlich langweilig vorstellte. Man läuft stundenlang durch Wald und Gestein, friert auf der Spitze und hat danach tagelang massive Schmerzen in den Füßen. Urlaub stellte ich mir anders vor. Nach nunmehr drei Stunden Wanderung hatten wir wahnsinnigen Hunger und konnten uns dazu durchringen, dies einem der Ninjas zu signalisieren. Prompt ertönte ein lauter Pfiff und im nächsten Moment saßen wir alle auf einer riesigen Picknickdecke und verzehrten Brötchen, Kaffee und Kuchen. Für einen kurzen Moment waren mir die Ninjas sympathisch. Aber wo zum Teufel kam eigentlich all das Essen her?
Hochmotiviert wanderten wir weiter. "Schatz", flüsterte Ilse mir zu, "ich muss zugeben, dass mir das hier mehr Spaß macht, als es eigentlich sollte." "Recht hast du", grinste ich zurück, "wir sollten sowas wirklich öfter machen. Vielleicht mal mit Katja und Christian! Guck mal, ich kann den Gipfel schon seh-" Plötzlich wurde ich ganz still. Ich nahm die Beine in die Hand und ließ sowohl Ilse als auch die Ninjas hinter mir zurück. In weniger als fünf Minuten stand ich auf dem höchsten Punkt des Berges und starrte in den Himmel.
"WARUM HAT UNS CHRISTOPH MRAZ ÜBERHAUPT AUF DIESE REISE GESCHICKT? UND WAS MACHEN WIR AUF DEM GIPFEL EINES BERGES?"
"Na endlich! Und nur 38 Stunden hat es gedauert!" Auf einmal stand Mraz direkt neben mir. "Was zum...? Aber wer bewässert jetzt meine Sonnenblumen?" "Das habe ich ihnen doch nur gesagt, damit sie glauben, ich wäre einfach nur ein komischer Kauz und würde es gar nicht Böse mit ihnen meinen. Nicht umsonst habe ich ein Diplom in Psychologie!" "Sie SIND ein komischer Kauz! Wie haben sie es überhaupt so schnell hier her geschafft?" Erst jetzt fiel mir die Narbe in seinem Gesicht, die unter seiner riesigen Brille verborgen war, auf.
Das Vermächtnis
"Aber... warum wir? Haben sie die Suche aufgegeben?" "Pff, ich hatte Besseres zu tun. Das gesamte letzte Jahr habe ich beispielsweise damit zugebracht, einen Beweis für das für unlösbar gehaltene Collatz-Problem zu formulieren. Die Suche nach Fritz war mir irgendwann zu riskant. Sie wissen ja gar nicht, auf was sie sich da eingelassen haben." "Und? Haben sie das Problem schon gelöst?", fragte ich keck. Mraz wandte sich kommentarlos seiner Ninja-Truppe zu und hob die rechte Hand in die Luft. Diese bestiegen nun ebenfalls den Gipfel und schienen nach irgendetwas Ausschau zu halten. "Ich zerbreche mir gerne den Kopf über Dinge, das macht mir, glaube ich, am meisten Spaß. Meine Eltern dachten, ich sei Autist, aber die Ärzte konnten mir das nie nachweisen. Ich hatte mal ein halbes Jahr lang in einem Casino gewohnt und mir dort eine goldene Nase verdient. Das müssen sie mir nicht glauben, aber es ist so. Bis heute ist mein einziger Imperativ, dass mein Gehirn jederzeit ausgelastet sein muss." (Er hantierte tatsächlich an einem Zauberwürfel.) "Ja, das ist alles schön und gut, aber was hat das jetzt mit uns zu tun? Sie hatten doch einen guten Grund dafür, die Suche aufzugeben, oder nicht?", fragte Ilse, die es nun auch nach oben geschafft hatte. "Als ich ihren Brief las, stellte ich fest, dass die Suche nach Fritz... etwas sehr Persönliches für mich zu sein schien. Ich hatte ihn bis dahin total vergessen, aber plötzlich konnte ich an nichts anderes mehr denken. Sehen sie diese Zusammenkunft also nicht als freundliche Geste. Ihr Brief war ein riesengroßer Fehler."
Unsere restlichen zweihunderttausendachthundertunddreißig Fragen mussten leider warten, denn einer der Ninjas hatte anscheinend etwas erspäht. "Kommen sie!", rief uns Mraz zu, der kurz zuvor seine Paraglider-Ausrüstung angelegt hatte und sich schon nach unten begab. Mit der Frage, wie diese Ausrüstung in hundertfacher Ausführung ihren Weg hier hoch gefunden hat, sollte sich Mraz beizeiten auch mal beschäftigen. Wir gleiteten also in Richtung eines kleinen Dorfes, bzw. seinen Überresten, wie ich kurz vor der Landung feststellen musste.
Die Ruinen stanken fürchterlich, wie eine Mischung aus Benzin und faulen Eiern. Im Zentrum schien sich eine große Zitadelle zu befinden, von der vergleichweise noch am meisten übriggeblieben war. An den Rändern des Dorfes befanden sich einige wenige Gesteinsreste, die wohl mal Teil einer großen Mauer gewesen sein mussten. Daraus ließe sich schließen, dass diese einstige Festung attackiert wurde, der Feind sich allerdings nur bis zur Zitadelle durchsetzen konnte. Oder ob er gar nicht in diese eindrigen musste, weil er bereits einen Großteil der Fläche eingenommen hätte? Mraz erklärte, dass hier vor hunderten von Jahren (er nannte eine genaue Zahl, aber ich war viel zu neidisch auf sein Universalgenie, um diese zu notieren) auf den Ruinen der Festung ein rudimentäres Lager aufgebaut wurde, welches sich nie zu einem echten Dorf entwickelte, aber noch bis heute bestehen sollte. Hier würden sich aber nicht etwa die haarigen Albaner aufhalten, sondern vielmehr die "Wütenden Mongos", ebenfalls bekannt aus den Überbleibseln der Fritz-Geschichte.
Lebende Fossilien
Was hatte ein mongolisches Volk in den südlichen Gebirgen Albaniens verloren? Und ab wann zählt ein Dorf eigentlich als Dorf? Offenbar hatten die Mongos ihre Wohnungen in den Überresten der zerstörten Häuser gebaut, sie aber kurioserweise nie repariert oder sonst etwas aus Lehm oder Beton konstruiert. Es fiel mir schwer, zu glauben, dass diese "Zivilisation" bis heute existierten konnte. Noch unglaubwürdiger war, dass bis zu unserer Ankunft niemand anderes auf diese seltsamen Menschen aufmerksam geworden war. "Und genau das bereitet mir Angst", nuschelte sich Mraz in seine Brille, als hätte er meine Gedanken lesen können. "Ich habe das alles schon mehrfach durchgerechnet. 101 Ninjas bieten die perfekte Balance zwischen Kostenaufwand und Angriffskraft. Das ist das beste, was man als normale Person mit guten Kontakten in Asien aufbringen kann. Aber diese Barbaren, die höchstwahrscheinlich nur rohe Gewalt kennen und trotzdem bisher jede Armee verscheucht zu haben scheinen... die Siegchancen sind einfach zu gering, zu unberechenbar - das ist ein einziges Himmelfahrtskommando." Obwohl mir nur die Hälfte von dem, was Mraz da gerade gesagt hatte, einleuchtete, wäre es mir plötzlich lieber gewesen, zusammen mit dem furzenden Ninja-Kumpan in Achims Büro zu sitzen, als in dieser merkwürdigen Ruine zu stehen. Ich wundert mich ein wenig, dass Mraz den Flug hierher überstanden zu haben schien, ohne sich in die Hose gemacht zu haben, als Ilse, die auf eines der kaputten Häuser geklettert war, uns zu sich rief.
Ich fasste mir an meine immer noch stark geschwollene Beule, um mich nochmals davon zu überzeugen, dass ich nicht in einem unheimlich ausführlichen und lebensechten Traum steckte. In der Ferne sahen wir drei riesengroße, nackte Monstermenschen mit auffällig bunten Haaren. Einer von ihnen schien von den beiden anderen gerade ausgenommen zu werden. Man konnte grob erkennen, wie ihm nach und nach die Innereien entfernt wurden und man konnte hören(!), wie die beiden anderen diese im Ganzen zermalmten. Es gesellte sich ein vierter hinzu, der mit geländewagengroßen Steinbrocken um sich warf.
"M-möchte jemand Hallo sagen?", rief ich den anderen zu. Die Ninjas hatten sich so hinter den zerütteten Häuserwänden platziert, dass man sie gerade noch so von der anderen Seite nicht sehen konnte. Mraz beobachtete die Riesen und war anscheinend dabei, einen Plan auszuhecken. Er kommandierte seine Ninjas mit ein paar merkwürdigen Klopfgeräuschen und sie formierten sich zu einer großen, menschlichen Mauer, die die Monster umzingeln sollte. Mraz führte schnell seine Hände zusammen, als würde er ein Gebet sprechen wollen und gab anschließend den Angriffsbefehl.
First contact
Ilse schloss ihre Augen und drückte sich fest an mich. Die ersten Shuriken flogen, die unterste Reihe von Ninjas zückte ihre Katanas und die Krähenfüße lagen bereits auf dem Boden verteilt. Einer der Mongos drehte sich verdutzt um und schlug mit nur einem Hieb ein großes Loch in die Ninjamauer. Die anderen bemerkten gar nicht erst, dass ein Haufen Shuriken in ihrer Haut steckte. Der Mongo mit den Steinen fing an zu lachen und "brach ein Stück" aus der Ninjamauer, welches er anschließend einige Hundert Meter in die Ferne katapultierte. Mraz schrie seinen Ninjas noch etwas Unverständliches entgegen und nahm die Beine in die Hand. "Halt! Bleiben sie hier!", rief ich ihm hinterner. Ich hatte immer noch nicht so richtig kapiert, was hier eigentlich vor sich ging. Die Mongos reagierten überhaupt nicht auf Mrazs Geschrei, sie schienen einfach nur Spaß mit den Ninjas zu haben. Irgendwas brachte mich dann dazu, vom Haus runterzuklettern und mich auf die Mongos zuzubewegen, nachdem ich mich von Ilse losgerissen hatte. Als einer der Mongos seinen Blick auf mich richtete, bekam ich es dann doch mit der Angst zu tun. Ich schloss die Augen, kniete mich auf den Boden und sagte irgendetwas, an das ich mich nicht mehr erinnern kann.
"die gehören zu dir? ^^", durchbohrte es plötzlich meine Ohren. Diese Monster... konnten sprechen! "he ihc rede mit dir. sag doch was :(" Ihre Sprache klang ein wenig zurückgeblieben, aber ich konnte sie sehr gut verstehen. "Bitte tut uns nichts! Wir kommen in Frieden." "lol und darum sghickt ihr einen haufen ninjas hm? :)" "W-wir sind auf der Suche nach etwas und wir wussten j-ja nicht, wer ihr seid..." "shcon gut kleiner jetzt ruf am besten deine freunde zurükc oder ROlf macht noch hackfleisch aus ihnen XD" Die Ninjas schienen immer noch nicht begriffen zu haben, dass sie so gut wie keine Chance gegen diese Riesen hatten. Das nenne ich Kampfgeist! "HEY! STOP! HEY!" Ich versuchte, sie zu beruhigen, aber sie wollten partout nicht auf mich aufmerksam werden. Erst ein ohrenbetäubendes Pfeifen, dass aus Ilses Richtung kam, konnte sie umstimmen. Mraz hatte wohl noch gesehen, wie ich losgegangen war und unsere Unterhaltung verfolgt. "Tun die uns wirklich nichts?", fragte er mich leise. Ich schüttelte den Kopf, war mir aber nicht zu 100% sicher. Ilse gesellte sich nun auch zu uns. "Shcönes mädle ;D", zwinkte mir einer der Mongos entgegen. "Steht leider nicht zur freien Verfügung!", erwiderte ich. Stille.
Ich war schon kurz davor, mich umzudrehen und wegzulaufen, als alle drei Mongos gleichzeitig anfingen, herzhaft zu lachen und sich auf die Brust zu klopfen. Jetzt traute sich auch Mraz, etwas zu sagen. "Was haben sie mit diesem Typen angestellt?" "ohh :O der war schon hin," rief einer der Mongos, der gerade auf einem enorm großen Dickdarm kaute, "wiso was den?" "U-und das ist normal bei, ... euch?" "was solen wir machen ihn liegen lassen? ;) ihr komt am bsten mal mit uns mit" Wir folgten sofort und ohne Widerrede. Auf dem Weg grinste mich einer der Mongos ständig an und ich versuchte, ihm klarzumachen, dass ihm noch ein bisschen Eingeweide zwischen den Zähnen hing. Als was er mein wildes Rumgefuchtel interpretierte, will ich im Nachhinein gar nicht wissen. Der Benzin-Eier-Gestank wurde immer schlimmer. Plötzlich schnappte sich einer der Mongos Mraz und war im Begriff, ihn zu werfen, als ihm einer der anderen einen Schlag ins Gesicht verpasste. "sry Rofl ist ein bissl blöd haha :D" Auf Weihnachtsfeiern und anderen peinlichen Festen fiel es mir immer leicht, anderen Leuten zuzustimmen, ohne dabei den Anschein zu erwecken, die angesprochene Person verletzen zu wollen. Dass das eine Kunst für sich ist, stellte ich auf meiner Pilgerreise mit den Mongos fest, denn da kam nur noch ein hysterisches Gelächter aus mir heraus.
Die Audienz
Die Mongotruppe führte uns in ein etwas größeres Dorf (Dorf oder nicht???). Grob geschätzt hielten sich hier rund zweihundert Mongos auf. Ein Großteil wanderte ziellos durch die Gegend, manche schlugen sich gegenseitig die Köpfe ein und den anderen konnte ich keine mir bekannte Tätigkeit zuordnen. Nur eines war klar: Von Hygiene hatten diese Mongos noch nie etwas gehört. Ilse musste sich mitten auf dem Weg übergeben. Es war wie auf einem Kothaufen-Parkour, aber es lagen auch überall verwesende Leichen herum. Wir näherten uns einer großen Kapelle, der ein Dach fehlte und die anscheinend mit ein paar Felsbrocken, welche durch ein seilartiges Gestrüpp miteinander verbunden waren, "dekoriert" war. "wir bringne euch zu unsere ANführer jeztt", teilte uns einer unserer Reiseführer mit. Im Inneren der Kapelle saß dann tatsächlich ein etwas klein geratener, aber fülliger Mongo auf einer Art Thron, der einem Stuhl zumindest ähnelte. Die anderen Mongos ließen uns allein. "bitte keine falschen vorurteile", sprach der Anführer, "ich halte die beachtung der groß- und kleinschreibung im normalen sprachgebrauch für überflüssig. man macht sich viel zu viele gedanken darüber, ob man selbst bzw. der gegenüber fehler macht, weil die deutsche rechtschreibung einfach mega unnötig kompliziert ist. im endeffekt bremst man sich selbst und die anderen dadurch beim lesen aus und die unterhaltungen dauern länger, versteht ihr?" Schon jetzt war mir klar, dass wir es mit einem Genie zu tun hatten, also quasi dem genauen Gegenteil eines Mongos! Ich werde den Anführer daher ab sofort als "Einstein" bezeichnen.
Einstein sprach weiter: "ihr seit die ersten normalen menschen seit einer gefühlten ewigkeit, die freiwillig ihren fuß in unser land setzen." "Ähm", räusperte sich Mraz, "aber schreibt man das erste 'seit' in diesem Zusammenhang nicht mit einem 'd'"? Einstein senkte seinen Blick Richtung Boden und seufzte laut. "das ist doch wieder genau derselbe blödsinn. ich schreibe das immer gleich. diese duden-nerds können mich mal mit ihren undurchblickbaren rechtschreibregeln." "Naja, aber bei seid/seit ist das eigentlich relativ-" "RUHE!" Diesen Schrei hatten alle Mongos gehört. Ich befand mich bereits in Fötusstellung und Ilse krallte sich zitternd an meinem Arm fest. "ihr wollts euch doch nicht etwa mit mir versauen? kritisiert ihr auch einen chinesen dafür, dass er sein essen mit stäbchen isst, nachdem er euch zum essen eingeladen hat, nur weil ihr das mit eurem besteck besser gewöhnt seid? mal ganz unabhängig davon, welche art zu essen nun besser ist, falls man das überhaupt so sagen kann. da werd ich fuchsteufelswild! aber das seit halt ihr menschen. da kann man nix machen. nun denn, was hat euch überhaupt hierher verschlagen?" "W-wir suchen nach Fritz...", flüsterte ich leise. "... vor einigen Jahren sollen sie seine Tagebücher gestohlen haben... also, nur angeblich!" Einstein machte plötzlich große Augen.
Die Wahrheit
"so lange ist es schon her. ich hatte mehr von dir erwartet, christoph." Mraz wich einen Schritt zurück. "Sie wissen, wer ich bin?" "erinnerst du dich nicht mehr? europameisterschaft, 1956 muss es gewesen sein. nach 162 zügen hatte ich dich." "Hummelritter? Bist dus wirklich? Was machst du hier?" "das ist eine sehr lange geschichte. ich dachte, du wüsstest bescheid." "Ähm, entschuldigt mal, ihr beiden", stammelte ich dazwischen, "kann uns mal jemand erklären, was hier gerade vor sich geht?" "wir sind alte schachfreunde. spielten viele partien gegeneinander und gewannen auch einige preise, bis ich dann eines verhängnisvollen tages nicht mehr existierte." "Sprechen sie bitte Klartext!" "christoph, ich glaube du bist deinen freunden eine erklärung schuldig." Was sollte das bedeuten? Hatte er uns Informationen vorenthalten? "Ich empfand es nicht als sinnvoll, ihnen alles zu erklären. Die Details waren für unsere Reise nicht relevant. Mir war nur wichtig, ihnen zu beweisen, dass die Suche nach Antworten zu einem sicheren Tod führen würde... dachte ich zumindest." "Das war ihre Absicht? Uns in den 'sicheren Tod' zu führen?" "Verdrehen sie mir doch nicht die Worte im Mund." Einstein (oder Hummelritter?!) sprach dazwischen. "der christoph ist ein guter kerl, aber nunmal auch etwas merkwürdig. daran sollten sie sich gewöhnen. ich hoffe, sie haben einiges an zeit mitgebracht." Ilse und ich schauten uns fragend an. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht fing Einstein an zu erzählen. "es war irgendwann in den frühen sechzigern. ich war damals im bergbau tätig, genauer gesagt in einer chrommine in bulqiza. eines tages wurde ich zusammen mit der ganzen belegschaft in die berge auf eine art betriebsurlaub geschickt. in wahrheit wurden wir von der cia verschleppt. wir wurden in eine kleine abgesperrte halle gesteckt und uns wurden regelmäßig irgendwelche medikamete verabreicht. 'wird euch guttun', sagten die wärter immer. einer dieser wärter war Whorsten, oder, wie ihr ihn kennt, fritz. er war noch der normalste von dieser gurkentruppe. irgendwann begannen die medikamente zu 'wirken'. die endprodukte bevölkern nun dieses land." "Die Mongos, äh, also, diese Riesen waren Testsubjekte in diesem Experiment?" "in der tat. du wunderst dich sicher, warum ich noch vergleichsweise normal aussehe. mir geht es ähnlich. ich schätze mal, dass ich gegen dieses medikament teilweise immun war." "Teilweise?" Jetzt mischte sich auch Mraz wieder ein. "rein körperlich geht es mir ganz gut und auch mental bin ich noch fit, aber ich hatte während meiner gefangenschaft das lesen verlernt." Ilse überlegte und fügte an: "Das klingt ja alles ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Ein CIA-Experiment in Südeuropa?" "Pssst!", entgegnete Mraz. "Adults are talking!"
Ein Experiment mit Folgen
Hummelritter sprach weiter. "jedenfalls begann Whorsten, sich allmählich sorgen um uns zu machen. eines nachts kam er zu mir und sagte, er würde uns sofort hier rausbefördern, wenn die wirkung des medikaments noch schlimmer wird. es wurde natürlich schlimmer und Whorsten konnte sich bei seinen vorgesetzten nicht durchsetzen. dann kam ihm eine im nachhinein völlig bescheuerte idee-" "Er trank von seiner eigenen Medizin?", unterbrach ihn Mraz. "guter junge. seine idee war, die reaktion seines körpers auf das mittel heimlich zu dokumentieren und später zu veröffentlichen, um seine chefs anzuschwärzen. er nahm aber nur eine kleine dosis zu sich. wenig später stieß er sich während des dienstes den kopf und ward danach nie wieder gesehen." "Und dann wurde aus Whorsten Fritz", schlussfolgerte Mraz. "ja, das hatte ich später selber herausgefunden. und zwar genau dann, als die cia uns loswerden wollte. es dauerte noch ein weilchen, da hatten einige der versuchskaninchen bereits das endstadium ihrer entwicklung erreicht. waren also so groß und furchteinflößend wie die monster, die euch zu mir gebracht haben. die cia wollte bzw. konnte uns nicht einfach abknallen und verhandelte einen deal mit mir: wir dürften uns in einem bestimmten raum albaniens, nämlich genau diesem hier, frei bewegen und das fbi würde unsere existenz in der welt geheimhalten. versteht ihr jetzt, warum ihr vorher noch nie etwas von uns gehört oder gesehen hattet? im gegenzug versprach ich stellvertretend für alle, dass wir niemandem etwas antun und die welt nichts vom experiment erfährt." Hier musste ich einhaken. "Und da haben sie einfach so mitgemacht? Wie haben sie es geschafft, dass ihre Riesen-Kumpanen sich nicht zu weit vom Fleck bewegen?" "eine gute frage. bevor wir entlassen wurden, hatte ich noch erfahren, dass das medikament, welches uns verabreicht wurde, das 'ewige verlangen der menschen' bremsen sollte, so ähnlich wurde es mir beschrieben. also zB das gefühl, wenn ihr etwas großartiges erreicht habt, aber euch nur kurzzeitig darüber freuen könnt, weil ihr schon wieder nach etwas neuem sucht, das es zu erreichen gilt. der ewige hunger nach 'mehr', der tief in uns verankert ist. ihr wisst was ich meine. die cia dachte, ihr experiment sei fehlgeschlagen, aber es war in wahrheit ein voller erfolg. diese mongos, wie ihr sie nennt, da draußen, die sind nicht einfach strunzdumm, sie sind glücklicher als wir es je sein werden. hier, in diesem dorf, haben sie alles, was sie brauchen. außer essen und trinken - nichts. zumindest für uns wäre es nichts. aber da sie sich tatsächlich nur mit dem zufrieden geben können, was sie haben, ist auch eine expansion ihres lebensraumes nicht notwendig. einen gewissen sinn für empathie haben sie jedoch, da, und auch das wusste die cia nicht, sie artgenossen und andere menschen nicht angreifen. jedenfalls nicht mit tötungsabsicht im prinzip musste ich also überhaupt nichts tun, um meinen deal mit der cia einzuhalten." "Was geschah dann? Friede, Freude, Eierkuchen?" Ilse und ich saßen mittlerweile wie kleine Kinder im Schneidersitz auf dem Boden und hörten gespannt zu. Mraz bewegte sich langsam im Kreis und schien in Gedanken vertieft zu sein. Auch einer der Mongos hatte Gefallen an der Geschichte gefunden--- nein, streich das. Er hatte nur Augen für die Eingangstür der Kapelle, die er nun leidenschaftlich abschleckte. Widerlich!
Verabredungen mit Fritz
"Dann ging alles den Bach runter", murmelte Mraz vor sich hin. "ja? meinst du, du hast es rausgefunden?" "Nun, in den Überlieferungen steht, dass Fritz' Haus exakt am 6.9.1969-" <ein lautes HÖHÖ ging durch das Dorf> "...von wütenden Mongos überfallen wurde. Ich schätze mal, Präsident Johnson war die Situation zu heikel und er hatte euch angegriffen, oder? Er wusste nicht, dass ihr in Wahrheit harmlos seid." Hummelritter-Einstein schwieg. "Er unterschätzte eure Stärke und kapitulierte früh. Diese Gelegenheit konntest du dazu nutzen, dir Informationen über Whorstens Aufenthaltsort zu beschaffen. Die CIA hatte ihn damals, unter seinem neuem Namen "Fritz", nach Luxemburg verfrachtet, ihn aber offiziell als Mitarbeiter geführt, sodass keiner Verdacht schöpfen könnte." "woher wusstest du, dass er nach luxemburg geschickt wurde?" "Weil meine Nachforschungen genau dort, bei seiner Wohnung, endeten. So viele Leute mit dem Namen "Fritz", die in den letzten 10 Jahren immigriert sind und über die auch keine weiteren Akten vorliegen, gibt es halt nicht. Aber da war dann Schluss. Ich dachte irgendwann, dass ich an der falschen Stelle gesucht haben musste." "oder vielleicht ist ihm ja zwischenzeitlich etwas passiert, hm?" "Nun erzählen sie schon!", kreischte Ilse aufgeregt und auch ich platzte fast vor Neugierde. "es war sehr schwierig für mich als analphabeten, aber ich erreichte nach einer woche tatsächlich fritz' wohnung. und fritz war... wirklich nicht mehr er selbst. die geringe dosis des medikaments hatte ihn zwar körperlich unversehrt gelassen, aber mental war er auf dem niveau meiner freunde hier, wenn nicht dümmer. ich wurde durch seine pflegerin empfangen und konnte mich überhaupt nicht mit fritz unterhalten. es ging einfach nicht. dass ich seine protokolle überhaupt auffinden konnte hatte mich sehr überrascht. die hatte die cia wohl übersehen. ich steckte sie also ein und machte mich aus dem staub." "Hätten sie ihn nicht mitnehmen können? Also Fritz?" "im nachhinein würde ich sagen: ja, definitiv. das war urspünglich auch die idee, aber am ende brachte ich es nicht übers herz. nicht zuletzt weil der schmächtige, mental schwache kerl es bei uns in albanien wohl nicht lange ausgehalten hätte. aber er hatte auch eine sehr starke bindung zu seiner pflegerin aufgebaut. er hing wirklich sehr an ihr. und so viel wie sie ihm zurückgab, das hätte ich nie geschafft." Mraz war nun wieder an der Reihe. "Mit den Protokollen als Erpressungsmittel konntet ihr dann für kurze Zeit den Frieden erkämpfen. Und dann... aber wie... das kann nicht..." Mir ging ein Licht auf. "Das FBI drohte damit, Fritz zu ermorden?" Ilse zuckte zusammen. "Was? Unmöglich!" "aber er hat recht. ja, sie drohten uns tatsächlich damit, ihn hinzurichten, wenn wir ihnen die protokolle nicht aushändigen würden." "Aber die Protokolle... es war alles umsonst...", stotterte Mraz vor sich hin. "das fbi entsandte einen boten und hinterließ einen brief für mich. er traute sich natürlich nicht, sich hier blicken zu lassen. vor lauter angst hatte er sich aber verplappert und ich konnte mir durch das, was meine freunde gehört hatten, so ungefähr zusammenreimen, was er forderte. das fbi würde hier irgendwann vorbeikommen und die papiere abholen. ich war natürlich bereit, auf ihre forderung einzugehen. für fritz. aber dann kam alles anders."
Götter zum Anfassen
Hummelritter stieg nun zum ersten Mal von seinem "Thron" herab. Dem Publikum stockte immer noch der Atem. Auch der Mongo, der die Tür verschlingen wollte, hatte sich der Stimmung angepasst und war absolut still. Hummelritter hantierte an einem kleinen Schrank und holte etwas heraus. "seht euch diese zeichnungen mal ganz genau an." Er teilte an jeden von uns ein paar Zeichungen aus, welche allem Anschein nach sehr sorgfältig mit Ölfarben angefertigt wurden. Mraz schien sein Bild schnell identifizieren zu können. "Ein wunderschönes Bild der Kapelle. Das ist sie doch, oder? Ich wusste gar nicht, dass du malst." Auch Ilses Bild war nicht schwer zu deuten. "Das hier ist definitiv einer der Riesen. Die krumme Nase, der verhältnismäßig kleine Kopf, das sehr präzise nachgezeichnete Fell... ein Prachtstück. Sie malen wunderschön!" Nur mein Bild gab uns Rätsel auf. Ich hatte eine ganze Reihe von Bildern in die Hand gedrückt bekommen, auf denen nur merkwürdige Formen und Symbole aufgetragen waren. "Die hier sind auch sehr hübsch, aber so richtig verstehe ich nicht, was hier abgebildet sein soll." "kommt mal mit", sagte Hummelritter plump und führte uns aus der Kapelle heraus. Die Mongos klatschten in die Hände oder vollführten ähnliche Bewegungen, als sie ihren Anführer vorbeigehen sahen. Wir wanderten gut zwei Kilometer und hatten das Dorf bereits hinter uns gelassen. Plötzlich blieb Hummelritter stehen und drehte sich um. "und jetzt?" Ich betrachtete die Bilder nochmals und erkannte nach und nach, dass die aufgezeichneten Formen ungefähr dem von Außen erkennbaren Umriss des Dorfes entsprachen, also hauptsächlich denen der Häuser- und Mauerrreste.
"die bilder sind nicht von mir. die da unten haben sie mir geschenkt." Jetzt zeigte Hummelritter (Einstein gefiel mir eigentlich besser, weil kürzer) in die andere Richtung, nach unten, Richtung Zivilisation. "Die da unten?", wunderte sich Ilse. "ich weiß nicht, wo diese leute genau herkommen, aber ich würde sie spontan den dörfern zuordnen, die noch am nächsten an uns dran liegen." "Und die haben euch also diese Bilder gemalt? Das ist ja lieb." "ich hielt es anfangs auch für eine freundliche geste. bis sie mir die protkolle wiederbrachten." "Moment mal, was? Was hat dieses albanische Volk mit den Protokollen zu tun?"
"es fing alles ein bisschen früher an. eines tages - wir lebten noch nicht allzu lang hier - lag plötzlich eine tote frau vor unserem dorf. ihr körper war komplett mit verschiedensten zeichnungen verziert. ihr kopf wurde abgetrennt." "Das ist ja grässlich. Ein Jungfrauenopfer?", bemerkte Mraz. "ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viele gedanken ich mir gemacht hatte. ich zählte zuerst alle bewohner durch, aber es fehlte keiner. dann dachte ich, irgendeiner von ihnen wäre nachts ausgebüxt und hätte sich das nächstbeste fräulein mitgenommen. als dann einige zeit später zwei weitere fremde unser dorf erreichten, war mir alles klar." "Das waren dann die Pilger, die euch die Bilder schenkten? Du hattest die Symbole wiedererkannt." "korrekt. das war für mich eine große erleichterung, weshalb ich die bilder nach kurzer skepsis dankend annahm. natürlich teilte ich den beiden mit, dass sie uns keine weiteren menschen mehr opfern sollten. was ich nicht bemerkte - und ich mutmaße nur, bin mir aber relativ sicher - war, dass einer der beiden den brief mitgenommen hatte. ihr wisst schon, den mit der erpressung. und dann nahm die katastrophe ihren lauf."
Die Tragödie
Ein albanisches Volk, welches dicht an dem Revier der Mongos lebte, hatte also eine Art Religion um sie herum aufgebaut. Zunächst bewunderten sie sie nur aus der Ferne, malten Bilder und brachten ihnen Opfer. Wer weiß, vielleicht gab es auch eigene Kirchen, vielleicht wurden Ketzer verfolgt und Glaubenskriege zwischen sich entwickelnden Subkulturen ausgetragen? Jedenfalls hatte man sich irgendwann dazu durchgerungen, zwei tapfere Pilger loszuschicken, um den Mongos persönlich zu begegnen. Einer von ihnen biss allerdings in den verbotenen Apfel und ließ den Erpressungsbrief der FBI mitgehen. "sie mussten dann herausgefunden haben, das das fbi vorbeikommen würde und hatten wahrscheinlich auch das datum notiert. und als das fbi dann kam, stand ich schon am eingang des dorfes und hielt die protokolle für die übergabe in der hand." "So ein FBI-Hubschrauber ist wohl schwer zu übersehen." Mir wurde langsam klar, was nun passierte. "wir sahen die albaner zuerst gar nicht. sie machten wohl aus ehrfurcht einen großen bogen um unser dorf. das fbi wollte gerade losfliegen, als die albaner aus heiterem himmel damit begannen, auf den hubschrauber zu schießen. die überraschung war so groß, dass das fbi kaum gegenwehr leisten konnte und der hubschrauber schon nach kurzer zeit in flammen stand. es gab noch einige explosionen, aber ich war schon auf dem rückweg. alles war vorbei." "Das bedeutet-" "ja. das fbi dachte natürlich, wir hätten hinter dem angriff gesteckt. deshalb konntest du fritz nicht mehr erreichen, christoph. er weilte schon längst nicht mehr unter den lebenden." Dieses Mal fiel ich Ilse in die Arme. Wir weinten beide was das Zeug hielt. Mraz hingegen war außer sich vor Wut. "Das ist nicht zu fassen! Ich glaub's ja nicht! Dieser ganze Blödsinn nur wegen ein paar miesen Tagebucheinträgen!" Jetzt war auch Hummelritter irritiert. "was meinst du mit tagebucheinträgen?" "Die sogenannten 'Protokolle', die du mir geschickt hast! Die waren alle völlig unbrauchbar! Da war nix drin, ganz und gar nichts, was man gegen die CIA hätte verwenden können!" "dann ist fritz also völlig umsonst gestorben. ich schätze, seine retardierung begann wesentlich früher, als ich vermutete." "W-woher hatten sie die Tagebücher, Herr Mraz?", fragte Ilse unter Schluchzen. "ich war natürlich stocksauer auf die albanen, die mir kurze zeit nach ihrem eingriff die dokumente zurückgeben wollten. ich sagte ihnen, sie sollen sie an christoph weitergeben, meinen alten schachfreund. ich hatte für sie keinen gebrauch mehr. aber anscheinend war auch das für die katz."
???
"Hättest du mir wenigstens die Bilder..." "hätte, hätte, hätte." "Hrnghmpf." Mraz stampfte jetzt wild auf dem Boden herum. Ob das seine Art und Weise war, Trauergefühle zu zeigen? Eines musste ich aber noch erfahren: "Und das FBI? Hatten die sie einfach in Ruhe gelassen?" "viel mehr als fritz hatten sie gegen uns nicht der hand. sie wussten ja anfangs nicht, dass ich die dokumente weggegeben hatte. mittlerweile gab es auch eine neue regierung unter nixon. vielleicht wären weitere militärische angriffe auch zu teuer gewesen, ohnehin war der vietnamkrieg ja noch in vollem gange. die ganzen einsätze zu vertuschen wäre sicherlich auch nicht leicht gewesen. sorgen hatte ich mir aber sowieso keine gemacht. nixon hätte auch eine atombombe auf uns werfen können. das medikament hat uns zeugungsunfähig gemacht. wir werden so oder so bald gehen. und nach dem, was ich heute gelernt habe, kann das gar nicht früh genug passieren."